Das Geheimnis liegt in der Vielfalt

Die globale Erwärmung wird immer mehr Dürren auslösen. Pflanzenzüchter wollen deshalb dürretolerante Pflanzen entwickeln. Dass dies auch ohne Gentechnik gelingt, zeigen aktuelle Beispiele.

Florianne Koechlin, Genschutz Zeitung 56, August 2009


Eines der häufigsten Argumente der Agroindustrie lautet: «Wir brauchen Gentechnik, um dürretolerante Pflanzen herzustellen. Sonst nimmt Armut und Hunger rapide zu.» Die Industrie hat wohl recht: Wegen der Klimaerwärmung wird Dürre ein immer grösseres Problem. In östlichen und südlichen Teilen Afrikas etwa, wo Mais das wichtigste Lebensmittel ist, führen Wassernot und Dürre heute schon zu grossen Schäden – im Durchschnitt betragen die Verluste wegen Dürre fünfzehn Prozent. Die letzten Dürreperioden in Ost- und Südafrika waren besonders verheerend. Diese Probleme werden sich verstärken – wegen des Klimawandels rechnen alle mit härteren und längeren Dürreperioden. Nur: Ist Gentechnik wirklich die Antwort?

Seit dreissig Jahren versuchen ForscherInnen, dürretolerante Gentechpflanzen herzustellen. Ohne Erfolg. Bisher ist keine einzige dürretolerante Gentechpflanze auf dem Markt. Das ist vielleicht gar nicht so erstaunlich: Eine Pflanze, die in trockenen Gebieten besser überlebt, verdankt diese Eigenschaft nicht einem einzelnen Gen. Sie hat vielleicht eine dicke Wachsschicht um Stängel und Blätter, ein dichteres und grösseres Wurzelwerk und kleinere Blätter, kleinere, oft eingesenkte Spaltöffnungen, die sich vor allem nachts öffnen und tagsüber geschlossen bleiben, spezielle Wasserspeichervorrichtungen etc. – da sind hunderte, ja tausende verschiedene Gene mitbeteiligt, im Zusammenspiel mit molekularen Netzwerken in Zellen und Organen. Da ist es fraglich, ob das Einfügen eines einzigen Fremdgens überhaupt erfolgreich sein kann oder nicht schlicht an der Komplexität dieser Netzwerke zum Scheitern verurteilt ist. Andere Strategien hingegen haben bereits heute viel Erfolg, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Dürretoleranter Mais für Afrika

Über 50 Forschungsinstitute, Saatgutfirmen, Bauernorganisationen und NGOs beteiligen sich an der erfolgreichen «Initiative Dürre-toleranter Mais für Afrika». Auch die Schweiz hilft bei der Finanzierung mit. Die Schweizerin Marianne Bänziger, eine der führenden Personen der Initiative und Direktorin des Globalen Mais-Programmes des internationalen Forschungsinstituts CIMMYT, erklärt, dass die traditionellen Maissorten mit viel Dünger und unter guten Regenbedingungen entwickelt wurden. «Wir wählten einen ganz anderen Ansatz. Wir nahmen die Sorten, setzten tausende davon einem extremen Stress aus – Dürre oder schlechte Bodenfruchtbarkeit. Dann wählten wir die besten aus. Diese brachten wir den Bauern. Sie erzählten uns, welche sie gerne haben möchten.»

Die «Initiative Dürre-toleranter Mais für Afrika» hat bereits über 50 dürreresistente Maissorten entwickelt, viele davon sind bereits auf dem Markt und werden von tausenden Bauern angebaut. Die Erträge sind in Gegenden, in denen Dürre herrscht, um 30 bis 50 Prozent angestiegen. Ziel ist, in den nächsten Jahren Maissorten zu entwickeln, die eine 100-prozentige grössere Dürretoleranz haben als heutige Sorten. Der Grund für diese Hoffnung ist, dass der Mais eine riesige natürliche genetische Variation besitzt – das birgt ein grosses Potential für Verbesserungen.

Bei der Entwicklung neuer Sorten setzt die Initiative heute auf verschiedene Strategien: Bauern und Bäuerinnen legen auf ihrem Land Versuchsfelder an; sie helfen bei der Selektion und Bewertung von potenziell neuen Sorten. Gleichzeitig kommen moderne Züchtungsmethoden zum Zug, wie zum Beispiel das «marker assisted breeding». Man kennt heute viele Gene und Genregionen von Mais, die bei Dürretoleranz eine Rolle spielen. Von diesen stellt man Gensonden her. Neue Maissorten – konventionell gekreuzt – können dann schnell und billig mit den Gensonden getestet werden, ob sie wichtige Toleranz-Gene und Genregionen enthalten. So wird das grosse Wissen um das Erbmaterial von Mais sinnvoll genutzt, ohne dass eine Maispflanze gentechnisch verändert wird.

Und ein ganz wichtiger zusätzlicher Vorteil: keine der dürretoleranten Maissorten, die die «Initiative Dürre-toleranter Mais für Afrika» entwickelt, ist patentiert. Jeder Bauer, jede Bäuerin kann Maissamen frei erwerben, ohne Lizenzgebühren bezahlen zu müssen. Und sie können aus der Ernte das Saatgut für das nächste Jahr gewinnen, falls sie eine Maissorte anbauen, die gute Samen erzeugt.

Dürretolerante Sojapflanzen aus den USA

In einer Saatgutbank des US-Landwirtschaftsministeriums sind tausende exotischer Sojabohnen aufbewahrt. Der Forscher Tommy Carter und sein Team haben rund 5000 Proben sorgfältig geprüft. Sie fanden fünf viel versprechende Kandidaten, die eine seltene Eigenschaft besitzen. Carter erzählt: «Eines Tages gingen wir auf das Feld, auf dem wir viele verschiedene Sojasorten angebaut hatten. Seit zwei Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Da fanden wir fünf kleine Felder, auf denen die Pflanzen nicht verwelkt waren. Das waren unsere Kandidaten. Wir haben die nächsten fünf Jahre untersucht, warum diese Pflanzen viel langsamer welken.» Durch Kreuzungen mit ertragreichen Sorten kam schliesslich eine langsam welkende Sojasorte heraus. Sie liefert bei Trockenheit über eine halbe Tonne mehr Ertrag pro Hektar als konventionelle Sorten.

Dürretolerante Reis aus Indien

Die indische Organisation Navdanya suchte fünfzehn Jahre lang in vielen Teilen des Landes nach lokalen, einheimischen Reissorten, die der Dürre besonders gut widerstehen. Das Register, das sie angelegt hatten, zeigt: Allein in Westbengalen wachsen 78 dürretolerante Reissorten, die Bauern in Uttararnchal pflanzen 54 dürretolerante Sorten an, und in Kerala fanden sie vierzig solche Sorten. «Dieses Register haben wir über eine Periode von fünfzehn Jahren zusammen mit den Bauern angelegt», sagt Vandana Shiva von Navdanya. «Da brauchen wir keine Gentechnik, denn schliesslich haben die Bauern diese dürretoleranten Sorten über hunderte Jahre hinweg gezüchtet und getestet. Zudem besteht die Gefahr, dass beim Einzug von Gentechnik diese Sorten vernachlässigt werden und aussterben. Dann ginge unschätzbar wertvolles Erbgut für immer verloren.»

Es gibt viele weitere Beispiele dürretoleranter Kulturpflanzen, die heute bereits auf dem Markt sind. «Das Geheimnis liegt in der Vielfalt», sagte ein Forscher. Ganz unterschiedliche moderne Züchtungstechniken, genetische Analysen – und ein Rückgriff auf bäuerliches Wissen können zum Erfolg führen. Die eine und einzige Lösung gibt es nicht.


Nigeria

Dürretolerante und hoch-produktive Cassava
Die von einem internationalen Forschungsinstitut gezüchtete Cassava-Sorte TMS92/0067 hat sich in vielen afrikanischen Ländern bewährt und wird nun vermarktet. Sie erträgt Trockenheit und ist erst noch resistent gegen wichtige bakterielle und virale Krankheiten. Bauern erzielen bei richtigem Anbau sechs- bis zehnmal mehr Ertrag als mit ihren herkömmlichen Sorten.

USA

Kuhbohnen, die gegen Dürre und Schädlinge resistent sind
In Afrika ist die Kuhbohne (Vigna unguiculata) ein wichtiger Eiweisslieferant. Doch oft werden drei Viertel der Ernte durch Dürre oder Schädlinge zerstört. Die Universität Kalifornien will mit «marker assisted breeding» neue Wege gehen, um dürre- und schädlingsresistente Kuhbohnen zu züchten. Diese Eigenschaften beruhen meist auf vielen verschiedenen Genen. Mit Sonden suchen die Forschenden nach Genkomplexen, die solche Resistenzen verursachen.

Indien

Dürretolerante Erdnüsse
Indische Forschende haben mit modernen Methoden neue Erdnusssorten gezüchtet, die dürretolerant sind und erst noch höhere Erträge erbringen, ganz ohne Gentechnik. Die Sorten sollen bald vermarktet werden.